Vorsorge: Diese 5 Untersuchungen lohnen sich wirklich
Nicht jede Vorsorgeuntersuchung ist gleich sinnvoll. Welche sich wirklich lohnen und warum - ein ehrlicher Blick.
Vorsorge ist gut. Mehr Vorsorge ist besser. Oder?
Nicht unbedingt. Als Arzt sehe ich beides: Patienten, die keine einzige Vorsorgeuntersuchung machen. Und Patienten, die sich jährlich komplett durchchecken lassen - obwohl das medizinisch nicht begründet ist.
Die Wahrheit liegt dazwischen. Manche Vorsorgeuntersuchungen retten Leben. Andere sind Zeitverschwendung oder sogar schädlich.
Das Problem mit der Vorsorge
Jede Untersuchung kann zwei Arten von Fehlern produzieren:
Falsch-positiv: Die Untersuchung findet etwas Auffälliges, das sich später als harmlos herausstellt. Das bedeutet: Angst, weitere Untersuchungen, manchmal unnötige Behandlungen.
Falsch-negativ: Die Untersuchung findet nichts, obwohl etwas da ist. Das bedeutet: falsche Sicherheit.
Eine gute Vorsorgeuntersuchung findet echte Probleme früh genug, um sie zu behandeln - ohne zu viele Fehlalarme zu produzieren.
Die 5 Untersuchungen, die sich lohnen
1. Blutdruckmessung
Wer: Alle Erwachsenen Wie oft: Mindestens alle 1-2 Jahre, ab 35 jährlich
Bluthochdruck ist ein stiller Killer. Er macht jahrelang keine Symptome, während er Herz, Gehirn und Nieren schädigt. Eine einfache Messung kann das aufdecken.
Warum das funktioniert: Bluthochdruck ist häufig, einfach zu erkennen und gut behandelbar. Frühe Erkennung verhindert Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Mein Tipp: Messen Sie auch zu Hause. Der "Weißkittel-Effekt" (erhöhter Blutdruck beim Arzt durch Nervosität) ist real. Ein Blutdruckmessgerät für den Hausgebrauch kostet 30-50 Euro und ist eine gute Investition.
2. Darmkrebsvorsorge
Wer: Alle ab 50 (bei Familiengeschichte früher) Wie oft: Stuhltest jährlich oder Darmspiegelung alle 10 Jahre
Darmkrebs entwickelt sich langsam über Jahre. Vorstufen (Polypen) können bei der Darmspiegelung direkt entfernt werden - bevor sie zu Krebs werden.
Warum das funktioniert: Darmkrebs ist häufig, entwickelt sich langsam und ist im Frühstadium sehr gut heilbar. Die Darmspiegelung kann Krebs nicht nur finden, sondern verhindern.
Was viele nicht wissen: Die Darmspiegelung ist besser als ihr Ruf. Die Vorbereitung (Abführen) ist unangenehm, die Untersuchung selbst unter Sedierung meist problemlos.
3. Hautkrebs-Screening
Wer: Alle ab 35 Wie oft: Alle 2 Jahre (Kassenleistung), bei Risikofaktoren häufiger
Hautkrebs ist der häufigste Krebs in Deutschland. Ein geübter Blick erkennt verdächtige Veränderungen früh.
Warum das funktioniert: Hautkrebs ist sichtbar. Früh erkannt, ist er fast immer heilbar. Spät erkannt, kann besonders das maligne Melanom tödlich sein.
Selbst aktiv werden: Beobachten Sie Ihre Muttermale nach der ABCDE-Regel: - Asymmetrie - Begrenzung (unregelmäßiger Rand) - Color (unterschiedliche Farben) - Durchmesser (größer als 6mm) - Evolution (Veränderung)
4. Gebärmutterhalskrebs-Screening (Frauen)
Wer: Frauen ab 20 Wie oft: Jährlich Abstrich, ab 35 alle 3 Jahre kombiniert mit HPV-Test
Gebärmutterhalskrebs wird fast immer durch HPV-Viren verursacht. Vorstufen sind erkennbar und behandelbar.
Warum das funktioniert: Klarer Zusammenhang zwischen Virus und Krebs, lange Entwicklungszeit, gute Behandelbarkeit von Vorstufen. Das Screening hat die Sterblichkeit an Gebärmutterhalskrebs drastisch gesenkt.
Zusätzlich wichtig: HPV-Impfung für junge Menschen - die beste Vorsorge ist, den Krebs gar nicht erst entstehen zu lassen.
5. Gesundheits-Check-up
Wer: Alle ab 35 Wie oft: Alle 3 Jahre (Kassenleistung)
Blut- und Urinuntersuchung, körperliche Untersuchung, Gespräch über Lebensstil und Risikofaktoren.
Warum das sinnvoll ist: Nicht wegen einzelner Werte, sondern wegen des Gesamtbildes. Diabetes, Nierenprobleme oder erhöhte Blutfette werden oft zufällig entdeckt.
Aber: Nicht überbewerten. Ein Check-up ist kein TÜV für den Körper. Normale Werte bedeuten nicht, dass Sie unsterblich sind. Auffällige Werte bedeuten nicht automatisch Krankheit.
Was ich kritischer sehe
PSA-Test (Prostatakrebs)
Meine Einschätzung: Umstritten. Der Test findet zwar Prostatakrebs, aber viele dieser Krebsarten hätten nie Probleme gemacht. Die Folge: Unnötige Behandlungen mit erheblichen Nebenwirkungen (Inkontinenz, Impotenz).
Wenn Sie das Thema interessiert, sprechen Sie mich an. Eine individuelle Entscheidung nach ausführlicher Aufklärung ist hier wichtig.
Ganzkörper-MRT
Meine Einschätzung: In der Regel nicht sinnvoll. Findet oft harmlose Zufallsbefunde, die zu weiteren Untersuchungen und Sorgen führen. Keine Kassenleistung, teuer, fraglicher Nutzen.
Jährliche "große Blutuntersuchung"
Meine Einschätzung: Nicht nötig ohne konkreten Anlass. Viele Werte schwanken, Zufallsbefunde sind häufig, der Nutzen ist nicht belegt.
Die beste Vorsorge ist keine Untersuchung
Die effektivste Vorsorge passiert nicht in der Arztpraxis:
- Nicht rauchen - reduziert das Risiko für praktisch alle wichtigen Erkrankungen - Regelmäßige Bewegung - 150 Minuten pro Woche moderate Aktivität - Gesundes Gewicht - BMI unter 25 - Wenig Alkohol - maximal ein Glas pro Tag - Ausgewogene Ernährung - viel Gemüse, wenig verarbeitete Lebensmittel
Diese fünf Faktoren beeinflussen Ihre Gesundheit mehr als jede Vorsorgeuntersuchung.
Fazit
Vorsorge ist wichtig - aber gezielt. Nicht jede Untersuchung, die angeboten wird, ist auch sinnvoll. Fragen Sie nach: Was genau wird untersucht? Was bedeutet ein auffälliger Befund? Was wäre die Konsequenz?
Und denken Sie daran: Die beste Vorsorge findet nicht in der Arztpraxis statt, sondern in Ihrem Alltag.
Dr. med. Jan Sturm
Facharzt für Allgemeinmedizin, Betriebsmediziner und Ernährungsmediziner
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