Impfmüdigkeit: Ein Arzt antwortet auf die häufigsten Bedenken
Impfskepsis begegnet mir täglich. Zeit, die häufigsten Fragen ehrlich zu beantworten.
"Muss das wirklich sein?"
Diese Frage höre ich oft, wenn es um Impfungen geht. Manche Patienten sind skeptisch, manche haben konkrete Bedenken, manche haben Dinge gehört, die sie verunsichern.
Ich verstehe das. Das Internet ist voll von widersprüchlichen Informationen. Vertrauen muss man sich verdienen. Also lassen Sie mich die häufigsten Fragen ehrlich beantworten.
"Ist mein Immunsystem nicht stark genug ohne Impfung?"
Ein gesundes Immunsystem ist großartig. Es kämpft täglich gegen unzählige Erreger. Aber manche Krankheiten sind stärker.
Vor der Masernimpfung starben weltweit jährlich über zwei Millionen Kinder an Masern. Deren Immunsysteme waren nicht "schwach" - Masern sind einfach extrem ansteckend und gefährlich.
Die Impfung ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist Training. Wie ein Boxer, der sich Videos seines Gegners anschaut, bevor er in den Ring steigt. Er trainiert gegen einen Schatten - aber wenn der echte Kampf kommt, ist er vorbereitet.
"Impfungen haben doch Nebenwirkungen!"
Ja. Jede medizinische Maßnahme hat potenzielle Nebenwirkungen. Die Frage ist: Wie stehen Nutzen und Risiko zueinander?
Häufige Nebenwirkungen von Impfungen: - Schmerzen an der Einstichstelle - Leichtes Fieber - Müdigkeit - Kopfschmerzen
Diese Reaktionen zeigen, dass das Immunsystem arbeitet. Sie verschwinden nach ein bis zwei Tagen.
Seltene Nebenwirkungen: Ja, es gibt sie. Allergische Reaktionen zum Beispiel. Deshalb bleiben Sie nach einer Impfung 15 Minuten in der Praxis - damit wir reagieren können, falls etwas passiert.
Die Rechnung: Bei der Masernimpfung etwa: Schwere Komplikationen in etwa 1 von einer Million Fällen. Schwere Komplikationen bei echter Masernerkrankung: In 1 von 1.000 Fällen. Das ist ein Faktor von Tausend zugunsten der Impfung.
"Ich bin doch gesund - warum soll ich mich impfen lassen?"
Zwei Gründe:
1. Sie bleiben gesund: Viele schwere Erkrankungen treffen auch vorher gesunde Menschen. Wundstarrkrampf zum Beispiel braucht nur eine kleine Verletzung im Garten.
2. Sie schützen andere: Manche Menschen können nicht geimpft werden - Säuglinge, Menschen mit Immunschwäche, Krebspatienten. Diese sind auf Herdenimmunität angewiesen. Je mehr Menschen geimpft sind, desto schwerer kann sich eine Krankheit ausbreiten.
"Sind in Impfungen nicht gefährliche Stoffe?"
Diese Frage bezieht sich meist auf Hilfsstoffe wie Aluminiumverbindungen oder früher Thiomersal (ein quecksilberhaltiges Konservierungsmittel).
Zu Aluminium: Aluminiumverbindungen sind in manchen Impfstoffen als Wirkverstärker enthalten - in sehr geringen Mengen. Zum Vergleich: Die Menge Aluminium, die ein Säugling durch Impfungen im ersten Lebensjahr aufnimmt, entspricht etwa dem, was er in einer Woche über Muttermilch oder Säuglingsnahrung aufnimmt. Es gibt keine Hinweise auf Schäden durch diese Mengen.
Zu Thiomersal: Wird seit Jahren in den meisten Impfstoffen nicht mehr verwendet. Die damaligen Bedenken haben sich wissenschaftlich nicht bestätigt - aber die Hersteller haben auf die Verunsicherung reagiert.
"Impfungen verursachen Autismus!"
Dieser Mythos geht auf eine Studie von 1998 zurück. Der Autor hatte Daten gefälscht. Die Studie wurde zurückgezogen, der Arzt verlor seine Zulassung.
Seitdem wurden dutzende große Studien mit Millionen von Kindern durchgeführt. Ergebnis: Kein Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus.
Der Mythos hält sich trotzdem. Das ist tragisch, weil er Menschen von wirksamen Schutzimpfungen abhält.
"Die Pharmaindustrie will doch nur Geld verdienen!"
Pharmaunternehmen sind keine Wohltätigkeitsorganisationen. Ja, sie verdienen Geld. Wie jedes andere Unternehmen auch.
Aber: - Impfstoffe sind nicht besonders profitabel. An Blutdrucksenkern oder Krebsmedikamenten verdient die Industrie mehr. - Impfstoffe werden von unabhängigen Behörden (in Deutschland: Paul-Ehrlich-Institut) geprüft und überwacht. - Die Wissenschaft hinter Impfungen ist öffentlich. Jeder kann die Studien lesen.
Skepsis gegenüber der Pharmaindustrie ist berechtigt. Aber daraus zu schließen, dass alle Impfungen nutzlos oder gefährlich sind, ist ein Fehlschluss.
"Früher gab es diese Impfungen auch nicht!"
Früher starben auch viel mehr Kinder. An Diphtherie, Keuchhusten, Masern, Polio.
Früher war nicht alles besser. Wir haben es nur vergessen, weil Impfungen diese Krankheiten so selten gemacht haben.
Welche Impfungen sind wirklich wichtig?
Die Ständige Impfkommission (STIKO) gibt Empfehlungen, die auf wissenschaftlichen Daten basieren. Für Erwachsene besonders relevant:
Unbedingt: - Tetanus und Diphtherie (Auffrischung alle 10 Jahre) - Keuchhusten (einmalig im Erwachsenenalter)
Ab 60 Jahren: - Pneumokokken - Grippe (jährlich) - Gürtelrose (Herpes Zoster)
Je nach Situation: - FSME (bei Zeckenexposition) - Hepatitis A/B (bei Risiko) - Reiseimpfungen je nach Ziel
Mein Angebot
Wenn Sie Fragen zu Impfungen haben, sprechen Sie mich an. Ich erkläre Ihnen gerne, welche Impfungen für Sie sinnvoll sind - und welche nicht.
Ich werde Sie nicht überreden. Aber ich werde Sie informieren. Ehrlich und auf Basis der besten verfügbaren Wissenschaft.
Die Entscheidung bleibt bei Ihnen.
Dr. med. Jan Sturm
Facharzt für Allgemeinmedizin, Betriebsmediziner und Ernährungsmediziner
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