Stress im Job: Wann wird es gefährlich?
Stress gehoert zum Berufsleben. Aber wann wird es zu viel? Die Warnsignale, die du kennen solltest.
"Ich bin gestresst."
Diesen Satz höre ich täglich. Von Managern und Sachbearbeitern. Von Pflegekräften und Handwerkern. Stress ist demokratisch - er betrifft alle.
Aber Stress ist nicht gleich Stress. Ein bisschen Anspannung kann motivieren. Dauerstress macht krank.
Als Arbeitsmediziner sehe ich, was chronischer Stress anrichtet. Und ich sehe die Warnsignale, die viele übersehen.
Stress: Was im Körper passiert
Stress ist ursprünglich ein Überlebensprogramm. Bei Gefahr schüttet der Körper Adrenalin und Cortisol aus. Das Herz schlägt schneller, die Muskeln spannen sich an, die Sinne schärfen sich.
Perfekt, um vor einem Tiger zu flüchten.
Weniger perfekt, wenn der "Tiger" eine endlose To-do-Liste ist.
Das Problem: Der Körper unterscheidet nicht zwischen echten Gefahren und beruflichem Druck. Die Stressreaktion ist dieselbe. Und wenn sie nie richtig abgebaut wird, richtet sie Schaden an.
Die drei Phasen der Stressreaktion
Phase 1: Alarmreaktion Der Körper mobilisiert Energie. Adrenalin steigt. Sie fühlen sich wach, fokussiert, leistungsfähig. Das ist der "positive" Stress - er kann kurzfristig sogar helfen.
Phase 2: Widerstand Der Körper versucht, mit dem anhaltenden Stress umzugehen. Cortisol bleibt erhöht. Sie funktionieren noch, aber es kostet Kraft. Der Akku wird leerer.
Phase 3: Erschöpfung Die Reserven sind aufgebraucht. Der Körper kann nicht mehr. Hier entstehen die eigentlichen Schäden - körperlich und psychisch.
Die Warnsignale - früh erkennen
Körperliche Signale
- Schlafprobleme: Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen, frühes Erwachen. Sie liegen wach und grübeln über die Arbeit.
- Verspannungen: Nacken, Schultern, Rücken. Der Körper ist ständig in Habachtstellung.
- Verdauungsprobleme: Magenschmerzen, Reizdarm-Symptome. Der Darm reagiert sensibel auf Stress.
- Häufige Infekte: Das Immunsystem leidet unter chronischem Stress. Sie werden öfter krank.
- Kopfschmerzen: Besonders Spannungskopfschmerzen, die sich wie ein Band um den Kopf legen.
Psychische Signale
- Gereiztheit: Sie reagieren dünnhäutiger als sonst. Kleinigkeiten bringen Sie auf die Palme.
- Konzentrationsprobleme: Der Kopf ist voll. Fokussieren fällt schwer.
- Erschöpfung trotz Schlaf: Sie wachen müde auf, obwohl Sie geschlafen haben.
- Zynismus: Alles nervt. Die Arbeit, die Kollegen, die Kunden. Nichts macht mehr Sinn.
- Sozialer Rückzug: Sie vermeiden Kontakte, ziehen sich zurück, haben keine Energie für andere.
Verhaltensänderungen
- Mehr Kaffee, Alkohol, Zigaretten: Stimulanzien um hochzukommen, Beruhigungsmittel um runterzukommen.
- Weniger Sport, Hobbys, Erholung: Keine Zeit, keine Energie, keine Lust.
- Überarbeitung: Sie bleiben länger, nehmen Arbeit mit nach Hause, checken ständig E-Mails.
Wann wird es gefährlich?
Die Grenze zwischen "normaler Stress" und "gefährlicher Überlastung" ist fließend. Aber es gibt Anhaltspunkte:
Dauer: Stress, der Wochen oder Monate andauert ohne echte Erholungsphasen, ist problematisch.
Erholung: Wenn Sie auch an freien Tagen nicht abschalten können, ist das ein Warnsignal.
Kontrollverlust: Wenn Sie das Gefühl haben, die Arbeit kontrolliert Sie statt umgekehrt.
Körperliche Symptome: Wenn die oben genannten Symptome anhalten und sich verstärken.
Was hilft - wirklich
Kurzfristig
- Bewegung: Der einfachste Stress-Abbau. Spaziergang, Treppe statt Aufzug, Stretching. Baut Stresshormone ab.
- Atmung: Klingt banal, wirkt. 4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden halten, 8 Sekunden ausatmen. Aktiviert den Entspannungsnerv.
- Grenzen setzen: "Nein" ist ein vollständiger Satz. Nicht jede Aufgabe ist Ihre.
Langfristig
- Ursachenanalyse: Was genau stresst Sie? Zu viel Arbeit? Unklare Erwartungen? Konflikte? Nur wer die Ursache kennt, kann sie bekämpfen.
- Prioritäten: Nicht alles ist gleich wichtig. Was muss heute, was kann morgen, was kann entfallen?
- Regeneration: Echte Erholung einplanen. Nicht "vielleicht am Wochenende", sondern fest im Kalender.
- Unterstützung: Mit Vorgesetzten sprechen, Kollegen einbeziehen, professionelle Hilfe suchen.
Wann zum Arzt?
- Wenn körperliche Symptome anhalten - Wenn Sie das Gefühl haben, nicht mehr abschalten zu können - Wenn Alkohol oder andere Substanzen "helfen" müssen - Wenn Sie an Burnout denken - Wenn Suizidgedanken auftauchen (dann sofort!)
Ein Wort an Führungskräfte
Sie tragen Verantwortung - nicht nur für Ergebnisse, sondern auch für Menschen.
Achten Sie auf Ihre Mitarbeiter: - Wer macht ständig Überstunden? - Wer ist häufig krank? - Wer hat sich verändert?
Und: Achten Sie auf sich selbst. Führungskräfte sind besonders gefährdet. Das Helfer-Syndrom ("Ich muss stark sein für mein Team") ist weit verbreitet - und gefährlich.
Fazit
Stress gehört zum Leben. Aber chronischer Stress, der nie richtig abgebaut wird, macht krank.
Hören Sie auf die Warnsignale Ihres Körpers. Er weiß, was er braucht - wir haben nur verlernt, zuzuhören.
Dr. med. Jan Sturm
Facharzt für Allgemeinmedizin, Betriebsmediziner und Ernährungsmediziner
Mehr über mich →Aehnliche Artikel

Betriebsärzte: Warum sie wichtiger sind als viele denken
Betriebsmedizin hat ein Imageproblem. Dabei ist sie wichtiger denn je.
Weiterlesen